Schatten (Itzalak)
Iban Zaldua (Itzulpena: Christiane Bendel)

Sie haben hier eine besondere Ausgabe der Zeitschrift Senez vor sich liegen; ein Exemplar, das ein Stück baskische Literatur in mehreren Sprachen vereinigt. In der Tat sind dies Früchte der von EIZIE im Herbst organisierten Veranstaltung Idazlea itzultzaileen lantegian („Der Autor am Arbeitsplatz des Übersetzers“), d. h. das Ergebnis dessen, was der Autor, Gewinner des baskischen Literaturpreises im vergangenen Jahr, mit den Übersetzern von Angesicht zu Angesicht erarbeitet hat. Sie halten also aus Iban Zalduas Buch Itzalak („Schatten“) die gleichnamige Erzählung in vier Sprachen (auf Baskisch und in den während der Veranstaltung weiteren drei bearbeiteten Sprachen) in den Händen.

Schatten: Nekane

Als ich ihr im Museum begegnete, musste ich mich anstrengen, die in mir aufkommende Unruhe nicht zu zeigen und es gelang mir, obwohl ich innerlich zitterte. Seit 1997 hatte ich Marga nicht mehr gesehen. Ich erinnere mich gut an das Jahr, da sie mir bei unserem letzten Treffen Alessandro Bariccos Roman Seide empfohlen hatte, der gerade auf Spanisch erschienen war und da dieser mir überaus gut gefallen hatte.

Auch sie versuchte, sich ruhig zu zeigen: sie umarmte mich flüchtig, als ob all die vergangenen Jahre nicht gewesen seien. Ich hatte keine Kraft, sie lange und fest zu umarmen.

Wir tauschten die üblichen Komplimente aus. „Gut siehst du aus. Seit wann benutzt du Rouge?“ Seit ich mit Mikel zusammen bin, dachte ich, aber ich gab ihr keine genauere Antwort, weder auf diese Frage, noch auf die vielen weiteren Fragen, die sie mir stellte; jedenfalls glaube ich nicht, dass sie eine Antwort erwartete; die Fragen waren ebenso wie die Umarmungen: Flüchtig, höflich und unspektakulär.

Marga sah mitgenommen aus und sie war ziemlich dick. Mittel- und Zeigefinger ihrer rechten Hand waren vom Nikotin gelb verfärbt und der graue Ansatz verriet ihr gefärbtes Haar. Doch natürlich erwähnte ich ihr gegenüber nichts.

Marga und ich hatten die vier Jahre am Gymnasium zusammen durchgestanden; „Von der Zeitschrift SuperPop bis hin zu Rimbaud“, wie sie gern erwähnte. Mehr noch als Freundinnen waren wir über diese Jahre hinweg eine eingeschworene Gemeinschaft. So war es fast vom ersten Tag an, als wir in der Schule nebeneinander gesetzt wurden: Ich war García, sie Garcíandia. In dieser Zeit ging ich fast jeden Nachmittag zu Marga nach Hause: Ihre Eltern besaßen im Gegensatz zu meinen eine Hifi-Anlage, die wir benutzen durften und wir verbrachten Stunden damit, Rabo de nube von Silvio Rodríguez und Berlin von Lou Reed zu hören, zu lesen, uns zu unterhalten und zu rauchen. Ich habe noch in Erinnerung, was Marga zu mir sagte, nachdem sie Frühstück bei Tiffany ausgelesen hatte: „Ich denke genau wie Holly: Heimat ist da, wo man sich wohl fühlt. Und ich suche immer noch danach.“ Ich lachte, obwohl ich das, was sie sagte, nicht lustig fand. Marga und ich diskutierten kaum. Wir versuchten es gar nicht. Möglicherweise ist das Freundschaft.

„Gefällt dir die Ausstellung?“, fragte sie mich plötzlich, ohne eine Antwort abzuwarten. „Mir auch nicht. Gehen wir woanders hin?“ Ich stimmte zu; wir könnten in einer der Kneipen da drüben was trinken gehen, doch sie schüttelte den Kopf: „Ich möchte lieber spazieren gehen, wenn es dir nichts ausmacht. Du weißt …“ und sie fügte lächelnd an: „Du findest es komisch, oder? Früher warst du die Wanderlustigste …“ Es stimmt: Obwohl ich die Berge sehr gerne mochte, gelang es mir nur unter viel Mühe, zu erreichen, dass Marga mit mir kam. Beim zweiten Mal jedenfalls war sie mir auf dem Weg zum Irumugarrieta beinah dehydriert und kam nicht mehr mit uns.

Wenn ich darüber nachdenke, waren die Berge eines der Dinge, die begannen, uns voneinander zu entfernen. Im Bergwanderverein hatte ich Urko, meinen ersten Mann kennengelernt. Klar, die Berge und das Studium: Marga ging nach Madrid auf die Diplomatenschule, ich hingegen nach Sarriko, ohne mein Wirtschaftsstudium abschließen zu können. Die anfangs unzähligen Briefe nahmen in den folgenden Jahren ab. Dann – ich habe es nie verstanden – trat Marga in die Welt der Politik ein und wir hatten immer weniger Gelegenheit, uns zu treffen.

„Die Ulmenallee ist schön zum Spazierengehen, findest du nicht?“ Ich gab ihr Recht und meinte das auch ehrlich: Es war einer dieser milden Nachmittage, wie man sie nur im Herbst genießen kann. Die langen Schatten der Bäume erinnerten mich an Pfeile. Das Geräusch unserer Schuhe klang sanft, als wir durchs Laub liefen und ich verspürte eine unbändige Lust, die frisch gefallenen Kastanien wegzukicken. Doch ich traute mich nicht.

„Hast du Bariccos neuestes Buch gelesen“, fragte sie mich. „Es ist kein Roman, sondern ein kurzes Essay mit dem Titel Next und handelt von der Globalisierung. Ich weiß nicht, ob dich das Thema interessiert, aber es ist gut geschrieben und hilft dir, einiges zu verstehen“. Sie machte eine Pause und schaute sich zum ersten Mal ganz kurz nach hinten um. Dann fuhr sie fort: „Da gibt es etwas in dem Buch, das mich nachdenklich stimmt. Bei den Ereignissen vom 11. September sagt Baricco etwas über zukünftige Kriege. Dass das Konzept der traditionellen internationalen Kriege veraltet sei; von nun an werden alle Kriege innere Kriege sein: Chronisch, unvermeidbar, zivil. Als ich das Buch zuklappte, dachte ich, dass wir im Baskenland seit langem die Globalisiertesten und Modernsten sind, weil unser Krieg ein solcher ist. Meinst du nicht?“

Ich weiß nicht, was ich Marga daraufhin antwortete, aber wieder dachte ich, dass sie keine Antwort erwartete. Wir sprachen weiter über dieses und jenes, bis wir an der Bahnbrücke ankamen. Ich sagte, dass ich nun gehen müsste und man sich wieder sehen würde. Eine weitere kurze Umarmung und jeder ging seines Weges: Ich nach Hause gen Norden und Marga, ihren Leibwächter hinter sich, Richtung Osten.

Ich weiß nicht, ob ihr Haus in dieser Richtung lag.

Schatten: Marga

Marga hat Nekane zurückgelassen. Sie entfernt sich mit schnellen und sicheren Schritten, so erweckt es zumindest den Anschein. Sie ist allein und muss sich entscheiden, beispielsweise, ob sie zusammen mit dem Leibwächter gehen oder ob dieser nicht hinter ihr hergehen soll: Immer muss sie eine Entscheidung treffen und stets wirft sie die zuletzt getroffene Entscheidung wieder über Bord. Die meisten Leibwächter gehen lieber hinterher, da ist es gleich, welchen Vertrauensgrad sie bei dem, den sie beschützen, erreicht haben. Mit dem jetzigen, mit Eduardo, versteht Marga sich nicht schlecht, aber mit Antonio lief es besser: Problemlos ging sie an seiner Seite, als seien sie Freunde, die gerade spazieren gingen. An ihrer Seite, verbessert sie rasch, da in der Zeit, als Antonio Leibwächter war, José Javier noch in der Stadt war und sie oft miteinander ausgingen. Marga befürchtet, das Antonio nicht ihre Begleitung als angenehm empfand, sondern die ihres Mannes José Javier. Denn man kann nicht verleugnen, dass Jose Javier sehr sympathisch ist. Er ist keineswegs Anhänger der Klassengesellschaft und in der Lage, sich über alle möglichen Themen zu unterhalten; ob Steuerrefom, Fußball, Habermas oder den letzten Klatsch über die Crónicas Marcianas1. „Wie soll ich als Arbeiter Anhänger der Klassengesellschaft sein?“, pflegt José Javier stolz zu sagen und fügt an: „Mein Vater war Minenarbeiter.” Aber nicht irgendein Arbeiter, denkt Marga, als sie sich daran erinnert; José Javiers Vater hatte es zum Meister gebracht. Jedenfalls wurde sie sich darüber erst später bewusst, nachdem sie schon ein paar Jahre verheiratet war. Marga hatte Jose Javiers Vater nicht kennengelernt, da er schon tot war, als sie in Madrid begann, mit jenem auszugehen, der später ihr Ehemann werden sollte.

Nein, Marga glaubt nicht, dass sie das Hauptmotiv war, weshalb der Leibwächter Antonio an ihrer Seite ging. In der Tat ist sie sehr selten an der Seite des Leibwächters gegangen, seitdem José Javier nach Brüssel gesandt wurde und wenn sie nebeneinander gehen, dann stets deshalb, weil sie darauf bestanden hat: Wenn die Notwendigkeit an Begleitung und Gespräch jeglichen Scham und alle Bedenken der Frau besiegt hat. Wenn José Javier da war, denkt sie nicht daran, dass sie dem Leibwächter gar nichts sagen müssen, damit sie zusammen sind: Er begab sich ohne Weiteres an ihre Seite und sie redeten beim Gehen, als seien sie schon immer Freunde gewesen. Sogar mit ihr, mit Marga. Doch sie ist sicher, dass nicht sie der Katalysator war, sondern José Javier. José Javiers natürlicher Charme.

Bislang hat sie den neuen Leibwächter Eduardo noch nicht auf die Probe gestellt: José Javier kehrt nur selten und für kurze Zeit aus Brüssel zurück und sie verbringt tatsächlich mehr Zeit in Madrid als im Baskenland. Die paar Male, die sie zu Hause geblieben ist, sind sie nicht auf die Straße gegangen. Doch Marga ist sich sicher, dass ihnen das gleiche wie mit Antonio passieren würde.

Sie hätte Antonio in der Zeit, als er noch ihr Leibwächter war, selbst fragen können. Beispielsweise an jenem Abend, an dem sie sich gemeinsam betranken, als der Ehemann wieder nach Brüssel gegangen war. Doch obwohl sie in jener Nacht ziemlich viel redeten, erwähnte sie ihm gegenüber nichts davon. Eigentlich begann alles auf eine ziemlich blöde Art und Weise, im Pub, wo die besten Cocktails der Stadt serviert werden und genau dort endete es auch, in den frühen Morgenstunden. Sie verließen den Ort, lange nachdem die Rollläden bereits hinunter gelassen waren – der Besitzer war ein Bekannter von Marga. Sie legten sämtliche Platten von Bryan Frerry und ein paar von Sade auf. Marga wusste, dass es schon ziemlich spät in der Nacht war und in einem dieser lichten Momente, die es selten im Leben gibt, dass sie den Leibwächter ins Bett bekommen könnte und dass sich auch Antonio darüber bewusst war. Doch sie unternahmen nichts, weder der eine, noch der andere. Der Leibwächter begleitete sie wie immer bis zur Haustür und den Umständen entsprechend lief Marga auf dem Weg zum Fahrstuhl im Zickzack und kam zu Hause an.

Nur an jenem Abend hatte sie dieses Gefühl. Antonio hatte nicht sofort den Umzug verlangt; er ließ drei oder vier Monate verstreichen. Später sandten sie Marga Eduardo, oder besser gesagt, Eduardo begann, häufiger zu kommen. Denn manchmal, je nach Schicht, kommen andere Leibwächter, Joseba, Pablo und dieser Blonde da, dessen Name sie schon vergessen hat. Doch Eduardo ist derjenige, der meistens kommt, so wie zuvor Antonio.

Wie immer begleitet Eduardo sie bis an die Haustür und macht sich dort mit einem lustlosen Tschüss davon. Mehr braucht es nicht, denn sie haben vorher über die Aktivitäten des morgigen Tags gesprochen: Punkt zehn Uhr wird er unten sein, da die Vollversammlung stattfindet. Ein paar Minuten wird er sich in der Nähe von Margas Haus aufhalten und dann gehen.

Sie grüßt den Hausmeister im Vorbeigehen. Im Postfach findet sie nichts außer Werbung und einen Brief vom Parteisekretariat. Im Fahrstuhl zündet sie sich eine Zigarette an. Sie geht ins Haus und bereitet sich, kaum nachdem sie den Alarm abgeschaltet hat, einen Martini zu. Es befindet sich nur noch wenig Gin in der Flasche. Sie geht in die Küche, um am Ende der langen Einkaufsliste „Beefeater 1” zu notieren. In runder, dicker Schönschrift schreibt sie das Wort und die Zahl unter „Taschentücher“.

Mehr als einmal hat Marga sich schon gefragt, an wen sie dieser Eduardo wohl erinnert, doch bislang ist sie nicht darauf gekommen; doch das Treffen mit Nekane hat die Türen ihrer Erinnerung geöffnet. Der Typ ähnelt Yassin. Vielleicht keine frappierende Ähnlichkeit, aber zumindest ein Spürchen. Hätte der Leibwächter dieses feine Bärtchen gehabt, hätte er mehr Ähnlichkeit mit Yassin aufgewiesen. Das feine Bärtchen und die braune Haut natürlich.

Dass sie jetzt an Yassin denkt, scheint ihr merkwürdig, da sie Nekane lange Zeit verschwiegen hat, dass sie mit ihm im Bett war. Nur ein Mal. Das ist etwas, das sie ihr schon immer erzählen wollte, doch sie hat sich nie getraut. Und sie ist sich darüber bewusst, dass vielleicht gerade das ein Stück der Wand ist, die sich zwischen die beiden geschoben hat: Nicht das einzige, vielleicht auch nicht das wichtigste, doch mit Sicherheit das erste.

Marga bemerkt, dass das Licht des Anrufbeantworters leuchtet und drückt auf den Knopf. Es ist José Javiers monotone Stimme, aus Brüssel. Sie spult an den Anfang der Nachricht zurück: … Eine Mordskälte hier, du weißt schon. Morgen früh gehen wir zu einer Edvard Munch-Ausstellung im Ixelles-Museum. Ich rufe dich um die Mittagszeit an, mal schauen, ob ich dich erreiche …“

Sie trinkt noch einen Schluck Martini und nähert sich dem Fenster. Da drüben ist Eduardo, an die Rosskastanie vor dem Haus gelehnt. Sie sieht, wie die letzte Rauchschwade aus seinem Mund entweicht und wie er mit der Schuhspitze den Zigarettenstummel austritt. Marga hat den Eindruck, dass er ganz schön lange dazu braucht.

Zuletzt schaut sie auf beide Straßenseiten und der Leibwächter entfernt sich leise.

Schatten: Eduardo

Er beginnt, mit der Schuhspitze den Zigarettenstummel auszutreten und wendet dabei die gelernte Geste an. In jungen Jahren hatte Eduardo diese Geste in einem Film gesehen, als er noch nicht rauchte. Sie schien ihm sehr elegant, und bewusst versuchte er, sie zu imitieren. Manchmal denkt er, dass er das Rauchen nur angefangen hat, um diese Geste zu gebrauchen und nach dem Aufrauchen der Zigarette Clark Gables anmutige Gestik immer und immer wieder anzuwenden. Der kurze Zigarettenstummel – er braucht gar nicht besonders weit zu fallen – die lässige Bewegung mit dem Bein nach vorne, das sanfte Austreten mit der Schuhspitze, das er gern ein bisschen hinauszögert – und fertig.

Als er gerade damit beschäftigt ist, kommt ihm ein Gedanke. Besser gesagt, eine Erinnerung: Die Erinnerung an Mikel. Tatsächlich hatte Mikels Freundin nicht bemerkt, dass er dort war, als sie im Museum auf Marga getroffen war, auch später auf dem gemeinsamen Spaziergang nicht. Eduardo ist an die auf Leibwächter gerichteten, schnellen Blicke gewöhnt. Außerdem, wie viele Male hatte er dieses Mädchen getroffen? Zwei Mal, drei Mal? Sie hatte immer abseits gestanden, während Mikel und er zwei Worte miteinander wechselten. Wenn sie wenigstens zu einem Abendessen gekommen wäre, denkt er weiter, würde sie sich an ihn erinnern, doch Mikel hatte schon lange aufgehört, zu den Treffen mit den Schulkameraden zu kommen und begann erst später, mit diesem Mädchen auszugehen. Edu erinnert sich kaum an ihren Namen. Aintzane, Goizane, Nekane. Er ist sich nicht sicher. Ein Mal hatte Manu ihn erwähnt.

Mikel und Edu waren während der Ausbildungszeit ein Herz und eine Seele gewesen. Sie wohnten drei Jahre lang in der gleichen Wohnung und fielen beide mehr als einmal in Römischen Recht durch. Zusammen bestanden sie plötzlich, beim fünften Anlauf. Mit der gleichen Note: 4 +.

In der Clique gab es sieben Studenten. Sechs treffen sich weiterhin zwei oder drei Mal im Jahr zum Mittag- oder Abendessen; natürlich ausgenommen der gelegentlichen Treffen mit dem einen oder anderen. Mit Manu beispielsweise ist er häufig zusammen, vor allem, seitdem sie Kinder haben: Auch er hat zwei Kinder, die fast im gleichen Alter wie Patxi und Sabiñe sind. Außerdem wohnen sie ganz in der Nähe. Doch die Clique selbst trifft sich offiziell immer ohne Frauen und nur zwei oder drei Mal. Zuletzt waren sie in Bergara im Restaurant Lasa gewesen. Mikel ist der einzige, der nicht mehr zu solchen Treffen kommt.

Eduardo erinnert sich nicht mehr, wann sie begannen, Mikel von diesen Treffen auszuschließen. Mikel ist Schuld, dessen ist er sicher. Manu wird sich besser erinnern. Letztendlich ist er die treibende Kraft der Clique, der die Restaurants aussucht und sich der Telefonanrufe annimmt. Vorher hatten Manu und er noch häufiger über Mikel gesprochen.

Er konnte Mikel nie böse sein. Eduardo weiß, dass ihm sein Eintritt in die Ertzaintza, die baskische Polizei, überhaupt nicht gefiel. Und vor allem, dass er beim Bund war; Mikel hatte natürlich verweigert und hatte das Glück, die Zeit nicht im Gefängnis absitzen zu müssen. Doch Manu war ebenfalls Verweigerer und der hatte ihm nie Vorwürfe gemacht. Und was war das mit dem Eintritt in die Ertzaintza? Es war nicht Eduardos Traum gewesen, aber von irgendetwas muss man verdammt noch mal leben. Und wessen Träume gehen schon in Erfüllung? Mikels Arbeit in diesem elendigen NGO-Büro scheint auch nicht das höchste Ziel eines berühmten Anwalts zu sein. Und außerdem, was ist so schlecht an der Ertzaintza? Nein, es war niemals Eduardos Traum gewesen, zur Ertzaintza zu gehen, doch er hatte die Nase voll von dieser Zeitarbeit mit der Kampagne für die Einkommensteuererklärung bei der Bank Caja Laboral; und die Nase voll davon, 9 Monate im Jahr arbeitslos zu sein.

Nein, er verspürte keinen Ärger, doch es bereitete ihm etwas Kummer, als Mikel die Einladung zu seiner Hochzeit ausschlug. Nun, es stimmt, dass Mikel niemals auf die Hochzeiten seiner Freunde ging, immer dagegenredetete und dass er nichts persönlich gegen ihre Entscheidung hatte – wie Manu ihm oft ins Gedächtnis rief – doch Eduardo kam gegen dieses bittere Gefühl nicht an. Wie man ihm erzählt hat, wird er nun diese dunkelhaarige Frau, die sich mit Marga getroffen hat, diese Goizane oder Nekane, heiraten.

„Mikel wird seine Predigten gegen Hochzeiten schlucken müssen“, sagte Manu neulich im Spaß, als sie im Park waren. „Ich bin sicher, dass Mikel eine ausgefeilte Argumentation hierfür finden wird, genauso gut strukturiert wie jene, die er gegen Hochzeiten verwendete“, gab Eduardo zur Antwort. Sentimental wie Mario Onaindia2, fügte er hinzu und umschrieb dabei den Satz so verächtlich wie früher Mikel selbst. Dann bemerkte er, dass sein Kummer seinetwegen immer noch bestand und dass er ihm nicht verzieh und ihm niemals verzeihen würde. „Lass gut sein, Junge“, sagte Manu, der sich besser als jeder andere erinnern musste, dass das mit dem sentimentalen Mario Onaindia auf Mikels Mist gewachsen war. „Lass gut sein“, wiederholte er, „wir alle haben ein Recht auf Änderung.“

Und just in diesem Moment bemerkt er, dass er immer noch dabei ist, die Kippe mit der Schuhspitze auszutreten und dass er ganz schön viel Zeit damit verbracht hat. Plötzlich stoppt er die Bewegung mit dem Fuß.

Der Leibwächter möchte den Blick nicht zum Fenster im vierten Stock des Hauses heben, weil er vermutet, dass Marga sich dort aufhält. Für heute hat er seine Schicht beendet: Er möchte den Blick der Frau, die er bewacht, nicht zum letzten Mal ertragen.

Zuletzt schaut Eduardo auf die beiden Straßenseiten und macht sich scheinbar leise davon.

Schatten: Nekane (II)

Ich weiß schon, was mich zu Hause erwarten wird. Mehr oder weniger. Mikels Begrüßung, vielleicht ein Kuss und dann gleich sein Tagesbericht. Die eine oder andere Besprechung. Kleine Geschichten über die Arbeit. Und ein Kommentar über ein paar in der Zeitung Gara gelesene Nachrichten, aber nicht besonders ausführlich. Er wird einige Wörter wiederholen: „Recht”, „Hurensohn/-söhne”, „Ekel”(haft). Ich werde ihm irgendwas entgegnen; Stille ist nicht mein Ding. Wie dem auch sei, nichts von wesentlicher Bedeutung. Später werden wir über den Ausflug am Wochenende sprechen. Letzten Sonntag, als wir gerade auf der Heimfahrt waren, sprach er vom Belagua-Tal. Aber es könnte auch der Udalaitz gewesen sein. Oder der Anboto: Wir sind schon lang nicht mehr auf den Anboto gestiegen. Keine Ahnung.

Aber das geht ja gar nicht; jetzt erinnere ich mich gerade. An diesem Wochenende fahren wir nach Soto, um Urko zu besuchen. Ich hatte es schon halbwegs vergessen. Wir müssen die geplante Bergtour auf nächste Woche verschieben.

Natürlich wird Mikel mich nach meinem Tag fragen. Normalerweise vergisst er das nie und im Stillen bin ich ihm dankbar für diese Achtsamkeit. Aber ich werde ihm gegenüber nichts erwähnen oder besser gesagt, ich werde eine der üblichen Floskeln verwenden: „Gut”, „nichts Besonderes”, „solala”. Denn ich werde keine Lust haben, ihm von der Sache mit Marga zu erzählen.

Das Zusammentreffen hat etwas in mir bewegt, dessen bin ich sicher. Genauso wie ich mir sicher bin, dass ich, sobald ich wieder alleine sein werde, Yassins Briefe aus dem alten Schuhkarton herausnehmen werde. Ich weiß nicht, ob ich etwas damit machen werde, noch nicht einmal, ob es dazu kommt, dass ich sie aus dem Briefumschlag herausnehme. Es muss nicht sein. Aber ich verspüre Lust, diese vergilbten Briefe wieder zu berühren.

Wir hatten Yassin bereits vor ungefähr 25 Jahren kennengelernt. Es musste Sommer gewesen sein, da wir an einem Nachmittag im Viertel waren, ohne etwas Besonderes zu tun.

Wir hielten uns immer am Pavillon oder an den Kolonnaden neben dem Platz auf und während des ganzen Nachmittags gingen wir zwei, oder wenn es hochkommt, drei Mal in irgendeine Kneipe, um ein kleines Bier zu trinken: Zu Hause gaben sie uns nicht viel Geld und so waren wir immer blank. Wir langweilten uns schrecklich, als die Ferien begannen.

Wir waren gerade mal 15 Jahre alt oder kurz davor. Zu jener Zeit gingen Marga, Cristina und ich öfters zusammen aus. Ein Dreiergespann, das es nicht zu einer Clique brachte. Cristina starb eineinhalb Jahre später bei einem Autounfall zusammen mit ihren Eltern, als sie ins Dorf fuhren, um dort das Wochenende zu verbringen. Villanuño, Burgos; ich weiß nicht, warum ich mich so genau an den Namen des Dorfes erinnere, aus dem Cristinas Eltern stammten: Cristinas Gesichtszüge hingegen sind halbwegs aus meiner Erinnerung gelöscht, obwohl sie die Schönste von uns Dreien war, oder vielleicht auch gerade deshalb. Ihr Haar habe ich jedoch noch gut in Erinnerung: wir beneideten sie um ihre lange dunkle Mähne.

Wir saßen auf der Treppe vor dem Pavillon, erzählten oder schwiegen, keine Ahnung, als er sich uns näherte. Ob es hier in der Gegend Diskos gäbe, fragte er uns höflich. Auf Englisch: Es war wohl kein besonders gutes Englisch, denn wir verstanden alles. Nie hatten wir einen schwärzeren Mann gesehen. Zu jener Zeit, ungefähr Ende der 70er, sah man nicht viele Schwarze in dieser Gegend.

Wäre er nicht so schwarz gewesen, hätten wir ihn sicher ausgelacht: Eine Disko, nachmittags um halb sechs an einem ganz gewöhnlichen Arbeitstag. Doch wir lachten ihn nicht aus. Wir erklärten ihm ziemlich nervös, dass weder das Dallas, das sich vier Straßen weiter unten befand, noch das etwas weiter entfernt gelegene Yes vor sieben oder acht Uhr öffnen würden. So gut wir konnten, da unser Englisch, das wir im 9. Schuljahr drauf hatten, nicht viel nutzte. Wir gingen nie ins Dallas oder ins Yes.

Er sagte, dass er Yassin hieße und aus Kuwait stamme. Ein Matrose, der gerade angekommen war. Dass sie paar Tage am Hafen anlegten und er Lust hatte, die Gegend zu erkunden. Außer ihm zu erklären, wo sich die Discos befanden, zeigten wir ihm die Kneipen, die geöffnet waren. Er bedankte sich überschwenglich und machte sich davon. Den halben Nachmittag war er unser Gesprächsthema Nummer Eins.

Wir alle drei fanden ihn sehr hässlich; sympathisch, aber hässlich. Das war der wichtigste Schluss, zu dem wir an jenem Nachmittag kamen.

Am darauffolgenden Tag, fast zur gleichen Zeit, ließ Yassin sich am Pavillon blicken und wie an jedem Nachmittag hielten auch wir uns dort auf. Wir schenkten dieser unerwarteten Begebenheit keine besondere Aufmerksamkeit. Der Kuwaiti grüßte uns von Weitem, offensichtlich erfreut, und kam auf uns zu. Er fragte uns ein paar Dinge über die Stadt und wir antworteten ihm eher schlecht als recht. Später begann er, uns von seinem Schiff zu erzählen, über die Besatzung, Kuwait, Ägypten, Häfen und Städte, die er kannte. Dann setzte er sich neben uns auf die Treppe des Pavillons. Von Zeit zu Zeit fragten wir etwas, aber nicht viel; es hatte nicht den Anschein, als bräuchte er unseren Ansporn. Er war unterhaltsam und eigen. Mitunter auch lustig, da er ständig die Namen von uns Dreien verwechselte.

Ich weiß nicht, wie viel Zeit wir dort verbracht haben mochten. Plötzlich erhob sich Yassin und fragte, ob wir etwas trinken wollten. Ich weiß nicht, ob wir Blicke tauschten, aber ich erinnere mich, dass wir uns alle gleichzeitig erhoben und mit ihm zur nächstgelegenen Kneipe aufbrachen. Wir bestellten drei kleine Bier, er einen Cuba Libre. Natürlich übernahm er die Rechnung.

Wir gingen in zwei oder drei weitere Kneipen und mittlerweile war es schon neun Uhr abends: Zeit für uns, aufzubrechen. Er ließ nicht ein Mal zu, dass wir zahlten. In der letzten Kneipe bot er uns ein Sandwich an: Wir kannten die kalten Sandwichs jener Kneipe gut, die elegant angerichet auf dem Tresen angeboten wurden, aber wir hatten sie nie probiert, da sie für uns zu teuer waren. Cristina und ich lehnten ab und bedankten uns mit einer Geste bei Yassin, doch Marga ließ sich einladen; Yassin selbst nahm noch ein Sandwich. Es versteht sich von selbst, dass Cristina und ich je von Margas Sandwich abbissen. Es waren gekochtes Ei und Salatblätter darauf und Mayonnaise. Wir alle drei fanden es sehr lecker.

Die folgenden zwei Tage verliefen in ähnlicher Weise: Yassin erschien am Pavillon, wir plauderten eine Weile und zogen dann durch die Kneipen. Wir hielten uns lange in jeder einzelnen Kneipe auf und wenn es neun Uhr schlug, verabschiedeten wir uns von dem Kuwaiti. Die Begebenheit mit dem Sandwich wiederholte sich in der letzten Kneipe wie am Tag zuvor. Yassin war in unseren täglichen Ablauf integriert.

Als wir am fünften Tag in einer Kneipe waren, schlug er vor, ins Dallas zu gehen und wir stimmten zu. Die Disco befand sich in einem Erdgeschoss und man musste ein paar steile Treppenstufen nach unten steigen: Es war an einem sonnigen Tag, kaum später als halb acht, doch innen im Dallas schien Nacht zu sein; ich glaube, die Dunkelheit im Lokal weckte an jenem Tag unsere Aufmerksamkeit am meisten; in den folgenden Jahren wurde dies für Marga und mich zu einem der normalsten Dinge auf der Welt. Die Stroboskoplichter, die große Disco-Kugel an der Decke, die Musik von Bee Gees und Village People, all das erregte uns nicht so sehr wie die Dunkelheit des Ortes.

Wir bestellten nur ein Bier für uns drei. Man konnte sich wegen des Lärms kaum unterhalten. Yassin wollte uns zum Tanzen animieren, doch wir blieben auf den Barhockern sitzen. Schließlich stand Marga auf und begann, allein gegenüber von dem Kuwaiti zu tanzen. Doch als sie einen Slow auflegten und Yassin auf Cristina zukam, lehnte diese natürlich ab. Beim nächsten Slow forderte er mich auf und auch ich lehnte ab. Bei Marga unternahm er den letzten Versuch; sie würde nicht etwas zusagen, was wir beide abgelehnt hatten – unsere ungeschriebenen Gesetze waren streng, was dieses Thema anbelangte – und sie lehnte ab. Außerdem war es schon neun Uhr und wir mussen nach Hause zurück. Und so geschah es.

Am darauffolgenden Tag erschien Yassin wie jeden Nachmittag am Platz. Er setzte sich nicht zu uns, sondern blieb stehen. Lange hielt er sich nicht bei uns auf: Er war gekommen, um sich zu verabschieden. Er sagte, dass wir sehr nette Mädchen seien, doch dass er ältere Frauen kennenlernen wollte. Genau so lauteten seine Worte: “I would want to know elder women.” Er gab uns seine Adresse und natürlich gaben auch wir ihm die unseren: Wir schrieben sie auf Rechenpapier. Und er verabschiedete sich zum letzten Mal, wie immer sehr höflich.

So war die Geschichte. Mehr als einmal redeten wir Drei in den folgenden Monaten darüber. Später passierte die Sache mit Cristinas Unfall und Marga und ich wurden zu den engsten Freundinnen auf der Welt, bis wir mit dem Abitur fertig waren.

Yassins erster Brief erreichte mich drei Jahre später, als ich gerade dabei war, das erste Ausbildungsjahr zu beenden. Er war mit einer Briefmarke aus Kapstadt versehen. Im Brief stand, dass sein Schiff bald wieder hier anlegen würde und dass er gerne die Gelegenheit nutzen würde, um mich, mich zu sehen. Er fragte mich nach Marga und Cristina, doch vor allem sprach er von jener Nacht, die wir zusammen verbracht hatten; seitdem hatte sich mein Englisch verbessert und ich konnte feststellen, dass er wirklich versuchte, so etwas wie poetisch zu sein.

Wegen der darin enthaltenen Details konnte es sich nur um Marga handeln, die mit Yassin zusammengewesen war: Diejenige, die mit Yassin ins Bett gegangen war. Am Tag, nachdem er sich zum letzten Mal verabschiedet hatte – so ging es zumindest aus dem Brief hervor. Wie Marga ihn getroffen hatte, weiß ich nicht; wenn man darüber nachdenkt, war es wohl nicht so schwierig gewesen; am Hafen lagen nicht viele Schiffe mit kuwaitischer Flagge.

Ich habe jedenfalls nie erfahren, weshalb er mir die Briefe schickte und dachte, dass ich Marga war: Ob er von Anfang an unsere Namen verwechselt hatte oder ob Marga selbst ihm in jener Nacht meinen Namen gegeben hatte. Denn im Brief war ich es, die ihre Jungfräulichkeit in Yassins Armen verloren hatte. Und ich habe es nie erfahren, weil Marga mir nie davon erzählt hatte. Vielleicht, weil ich sie nie gefragt habe. Nachdem ich Yassins Brief erhalten hatte, dachte ich sofort daran, meine Freundin in Madrid anzurufen, wo sie in einem Studentenwohnheim lebte. Ich beschloss, zu warten. Als wir uns nach Semesterende trafen, hatte sie mir selbstverständlich nichts darüber erzählt, eigentlich gab es keinen Grund. Und ich erwähnte ihr gegenüber nichts von dem Brief. Das waren damals die Anfänge unserer Entfremdung.

Ich war auch fast schon davor, Yassin zu antworten, um mich mit ihm zu verabreden oder etwas in der Art. Doch letztendlich unternahm ich nichts. Yassin würde in der Stadt ankommen, vielleicht in unser Viertel gehen und sich sogar zum Pavillon begeben. Wer weiß. Ich machte vorsichtshalber an den im Brief angegebenen Tagen einen Bogen darum.

In den folgenden zwei Jahren erhielt ich weitere drei Briefe von Yassin; einen aus Kiel, einen aus Lagos und den dritten aus Genua. Alle waren im gleichen Ton verfasst, der mich gewissermaßen an die romantischen Romane aus der Reihe Jazmin erinnerte. Die ganze Zeit war ich der Versuchung nahe, zu antworten, aber niemals setzte ich dies in die Tat um.

Ich erinnerte mich natürlich 1991 an Yassin, als der ersten Golfkrieg ausbrach. Vielleicht hätte ich es Marga erzählt, aber damals trafen wir uns nicht oft. In jenem Jahr stellte sie sich zum ersten Mal für Wahlen.

Ich komme nach Hause. Mikel gibt mir einen Kuss und fragt mich, wie der Tag gewesen sei. Und er fährt fort: „Ich hatte eine Besprechung mit Panpi und Joxi, wie ich dir gestern schon erzählt hatte.“

„Und, wir war´s?“, frage ich ihn. Aber meine Gedanken sind schon längst auf dem Schrank, bei jenen alten Briefen von Yassin, die ich bald herausnehmen und berühren werde.

Schatten: Aritz’ Anmerkungen

Frau Garziandia hat heute den Weg genommen, den sie an Plenumstagungen normalerweise nimmt.

Morgens um neun Uhr dreißig (09:33) ist sie aus dem Haus gegangen, hat sich mit dem Leibwächter am Portal („Strammer Bursche”, derselbe wie in den letzten Wochen) getroffen und sie sind zu Fuß gemeinsam den Weg zum Rathaus gegangen: Nafarroako kale3, Leizarraga kale, San Inazio hiribide4, Platz des Konsulats, Txabarri kale, Lehendakari Agirre und Dorfplatz (d. h., die Strecke, die wir in den vorherigen Anmerkungen Strecke „B” genannt haben, doch heute vorwiegend über den linken Bürgersteig). Sie haben den Weg schnell zurückgelegt: Schon um zehn vor zehn waren sie am Rathaus (09:52); sie sind durch die Seitentür hineingegangen.

Die heutige Versammlung hat lange gedauert. Die meisten Stadträdte sind vom Rathaus zum Mittagessen gegangen, einige nach Hause und andere in nahegelegene Kneipen (die meisten von der PNV sind beispielsweise ins Batzoki gegangen), doch die Garziandia hat direkt im Rathaus gegessen, das glaube ich zumindest, da „strammer Bursche”, nachdem er sich den ganzen Morgen in der Gegend des Rathausportals aufgehalten hat, einen Anruf auf dem Handy erhielt und danach in die Kneipe Goizeko-Kabi gegangen ist. Eine viertel Stunde später ist er mit einer Plastiktüte wieder herausgekommen, mit einem belegten Baguette, sicher für die Garziandia.

Die Versammlung ist gegen siebzehn Uhr zu Ende gewesen und die meisten Stadträdte sind gleich gegangen; die Garziandia Punkt 17:04 Uhr. Dann ist sie Richtung Promenade am Fluss gegagen, mit „strammer Bursche” in fünf oder sechs Meter Entfernung hinter sich: Foru kale, die Steigung beim Seminario5, Elgeta kale, Promenade. Danach ist sie ins Museum gegangen, so wie immer, wenn eine neue Ausstellung eröffnet wird. Sie ist eine halbe Stunde drinnen geblieben (um 17:48 Uhr ist sie hinausgegangen). Im Museum hat sie sich mit einer Freundin getroffen, die wir nicht kennen; eine dunkelhaarige Frau, ungefähr 1,75 m, jünger als die Garziandia, sie trug eine rote Lederjacke und kurze Jeans. Sie haben zusammen die Ulmenallee durchquert, bis zur Bahnbrücke und dort haben sie sich voneinander verabschiedet (18:12); die dunkelhaarige Frau ist in Richtung Gerezienea-Viertel gegangen, die Garziandia hat sich in Richtung nach Hause aufgemacht. Es scheint kein gewöhnliches Treffen gewesen zu sein, aber wenn es noch mal vorkommt, wäre es vielleicht angebracht, mehr Informationen über die Frau in Erfahrung zu bringen.

Dann hat die Stadträtin den Weg nach Hause genommen und „strammer Bursche” hat sich nicht einmal an ihre Seite begeben. Sie sind größtenteils weiter der Strecke „C” gefolgt, Arregi kale (18:14), Gernika kale (18:20), San Agustin kale (18:25), Platz am Bergara-Seminario (18:31), in diesem Fall über den Bürgersteig rechts, außer beim Überqueren der San Augustin Kale. Da sie normalerweise auf der Strecke „C” an Stelle der Arregi kale gewöhnlich die Azkue etxarte6 nimmt, ist mir der Gedanke gekommen, diese Abweichung als „C1” zu bezeichnen.

Sie ist um 18:36 Uhr zu Hause angekommen und wie es aussieht, hält sich ihr Mann weiterhin auswärts auf. Um 18:38 Uhr ist das Wohnzimmerlicht angeganen. „Strammer Bursche” hat sich länger als sonst in der Gegend des Portals aufgehalten und geraucht, bevor er aufgebrochen ist (18:46) (berücksichtigen). Die Garziandia ist, glaube ich, neben dem Wohnzimmerfenster gewesen, aber ich kann es nicht mit Sicherheit sagen, da die Äste der Bäume an der Straße von meiner Beobachtunsstelle aus das Fenster zur Hälfte bedecken

Dann ist das Schlafzimmefenster erleuchtet, doch einige Sekunden später ist das Licht ausgegangen.


1. Spanische Unterhaltungsserie im Nachtprogramm; eine Diskussionsrunde mit extravaganten
Gästen.

2. Baskischer Politiker, Mitglied der ETA in den 60ern, später Parteiführer der Baskischen
Linken und schließlich baskischer Parlamentarier der PSOE (Spanische Sozialistische
Arbeiterpartei).

3. Kale – Straße.

4. Hiribide – etwa: Allee.

5. Ausbildungsgebäude der Priester.

6. Etxarte – Gasse.